11 Septembre 2023 09:30 | Ekd

Rede von Ioan



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Ioan

Métropolite orthodoxe, Patriarcat deRoumanie
 biographie
Frieden – eine Gabe Gottes
 
„Trachtet nach Frieden mit allen und nach der Heiligung, ohne die keiner den Herrn sehen wird" (Hebräer 12,14)
 
 
 
Wie war die Situation der menschlichen Gesellschaft bei der Ankunft Christi auf der Erde? Die Sünde hatte die Völker voneinander getrennt, hatte die Familien entzweit. Der Mensch hatte den Weg verloren, der ihn zu seinem Schöpfer, zum Himmel, führt.
 
Es ist kein Zufall, dass Christus nach seiner Auferstehung den Aposteln mit den Worten entgegengeht: „Friede sei mit euch" (Lk 24,36). Er bietet ihnen in diesem Moment nicht das Brot an, sondern den Frieden. Die Apostel waren mit niemandem im Streit, sie waren friedliche Menschen, und doch hatte jemand ihren inneren Frieden geraubt, indem er ihren Meister gekreuzigt hatte, denjenigen, der den Menschen so viel Gutes getan hatte.
 
Der Friede ist ein Geschenk, das aus dem guten Zusammenleben der Menschen entsteht, aber auch aus der Beziehung des Menschen zu Gott.
 
Gott ist die Quelle des Friedens und bietet ihn dem Menschen als Geschenk an. 
 
Ich habe in der Geschichte gesehen, dass der Mensch diese Gabe Gottes viele Male abgelehnt hat.
 
Wenn wir uns heute umschauen, sehen wir, dass der Friede an vielen Orten der Erde vergeudet wird. 
 
Nimm das Brot von meinem Tisch, aber nimm nicht meinen Frieden!
 
Wie viel Leid, wie viele Wunden und Tränen gibt es dort, wo es keinen Frieden gibt. Mütter, Kinder, alte Menschen weinen.
 
Ströme von Tränen fließen. Die Kinder werden mit Tränen gespeist.  Was für eine traurige Kindheit!
 
Männer, die ihr die Völker lenkt, raubt uns nicht die Kindheit!
 
Beraubt uns nicht der Gabe des Friedens, die auch wir von Gott erhalten haben. 
 
Beten wir zum Herrn, dass er diejenigen erleuchtet und ihnen Weisheit schenkt, die unseren Mitmenschen den Frieden rauben! 
 
Auf dem Weg des Herrn und zu ihm hin kann man nur in Frieden gehen: Frieden mit Gott, mit sich selbst, mit den Mitmenschen.
 
Das Gebet und die guten Werke sind die beiden Flügel, auf denen sich der Mensch zum Himmel erhebt. Das Gebet ist ein geistliches Werk. Es ist ein Ausdruck dessen, was wir sind und was wir sein müssen, um uns Gott zu nähern und mit ihm in Gemeinschaft zu sein. Wenn der Mensch auf seinem Lebensweg durstig wird, macht er an der Quelle des Gebets Halt, und von dort aus wird er tief im Inneren mit dem Tau der göttlichen Gnade erfrischt.  
 
Bei der Arbeit des Gebets müssen wir zwischen „beten" und „ein Gebet verrichten" unterscheiden.
 
Im Gebet lässt der Mensch die Verwirrung des täglichen Lebens hinter sich, in der er oft untergeht oder feststeckt. In der heutigen Gesellschaft gibt es täglich verschiedene Ereignisse, die nicht immer glücklich sind.
 
Die Gesellschaft befindet sich in einer kontinuierlichen Entwicklung, aber in ihr sind die Auswirkungen einer Rückentwicklung zu beobachten, insbesondere in moralischer Hinsicht. Totalitarismus, verschiedene Formen der Diktatur und vor allem der Technokratie konditionieren den Menschen und machen ihn oft zu einem Sklaven ihrer Werke. Heute reduziert die Technokratie den Menschen auf eine Nummer innerhalb der Masse der auf der Erde lebenden Menschen. Sie entwertet ihn und reduziert ihn auf die Größe eines Atoms. Sie entpersönlicht ihn und wirft ihn in eine ausschließlich materielle Welt, in der Glaube, Hoffnung und Liebe nicht mehr als göttliche Werte gelten. Aus dieser atomisierten Welt kann man sich durch das Gebet befreien, das eine Leiter zum Himmel, zu unserem Schöpfer, d.h. zur vollkommenen Liebe ist. Indem er zu sich selbst findet, entdeckt der Mensch sich selbst und versteht die Rolle und den Zweck, für die er von Gott geschaffen wurde, nämlich an der heiligen Gemeinschaft mit Gottes vollkommener Liebe teilzuhaben. 
 
Das Gebet ist kein einfaches Werk des Menschen, das nur gelegentlich praktiziert wird oder das nur den Mönchen vorbehalten ist, sondern es ist ein unablässiges Werk und es macht das Wesen des menschlichen Lebens aus. Der Mensch betet nicht nur mit seiner Zunge und seinen Lippen, sondern mit seiner ganzen Existenz. So erstrecken sich die Früchte des Gebets auf sein ganzes Wesen und auf die gesamte von Gott geschaffene Welt, eine Welt, die heute durch unsere Sünden negativ beeinflusst wird. 
 
Der Mensch hat mit der Sünde begonnen, die Schöpfung Gottes in eine Wüste zu verwandeln. In dieser zeitgenössischen Wüste unserer Gesellschaft braucht man mehr denn je den Tau des Heiligen Geistes, der in der Zeit des Gebets, das ein Mensch unter Tränen spricht, über die Erde ausgegossen wird.
 
Das Gebet ist ein unermesslicher geistlicher Raum, in dem wir alle in demselben Geist aufgerufen sind, Gott, unseren Schöpfer, zu verherrlichen. Durch das Gebet vereint, bilden wir alle den Mystischen Leib Christi. Die Gemeinschaft, die durch das Gebet verwirklicht wird, lässt die vorübergehenden Grenzen zwischen den verschiedenen menschlichen Gemeinschaften verschwinden. Sie führt den Menschen in einen heiligen Raum. 
 
Auch wenn das Gebet individuell verrichtet wird, umfasst es die ganze Welt und hat somit eine kosmische Dimension. Im Gebet bewegen wir uns zwischen Erde und Himmel, wir laufen nicht ins Leere, sondern wir suchen Gott und er sucht uns. Die Begegnung mit Gott findet in jenem spirituellen Raum statt, in dem die Liebe des Vaters in das Herz des verlorenen Sohnes ausgegossen wurde. Gott sucht den Menschen im unermesslichen Sternenraum. 
 
Durch das Gebet suchen wir die Kranken in ihren Schmerzensbetten auf, wir suchen die, die in der Tiefe ihrer Armut versunken und von der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen sind; wir suchen uns selbst auf, die wir uns oft in einer Welt verlaufen, die heute zunehmend gespalten und säkularisiert ist.
 
Im Licht des Gebets entdecken wir die wunderbare Schöpfung Gottes und die Krone seiner Schöpfung: den Menschen. Um Gott zu begegnen, um Gott zu finden, muss man seinen Mitmenschen finden, der leidet und schwere Prüfungen erträgt. 
 
Im Gebet betreten wir zwei Welten: die Welt der Tränen, des Leids, und die Welt der Freude, die in Gott vollkommen ist. Das Gebet ist der menschliche Zustand, durch den wir in die Gemeinschaft mit Gott und mit all jenen eintreten, die ihre Hände zum Himmel erheben und Gott unter Tränen um Vergebung, Erbarmen und Frieden bitten.
 
Der Friede ist das Geschenk Gottes und wir bitten ihn heute, ihn uns zurückzugeben, weil wir ihn teilweise verloren haben. Hast du den Frieden verloren? Der Friede der ganzen Welt ist verloren. Wo es keinen Frieden gibt, gibt es Feuer und Blut, Tränen, Demütigung. Ohne Frieden können wir in diesem Leben nichts aufbauen. 
 
Ein Bürger des Friedens zu sein, bedeutet, den Wunsch zu verspüren und auch die große Chance dazu zu haben, Bürger des Himmels zu sein, des Reiches Gottes, eines Reiches der Liebe und des Friedens: "Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden. " (Mt 5,9). 
 
Zu welcher Welt willst du in der Ewigkeit gehören: zur Welt des Friedens und der Liebe oder zu der des Hasses und der Feindschaft? Christus hat keine Feinde, nur Freunde. 
 
Der Mönch betet allein, aber er betet nicht für sich allein, sondern für die ganze Welt. Sein Geschenk an die Welt ist das Gebet. Der Mönch schenkt der Welt nicht Brot, sondern das Gebet, das die Welt heute so sehr braucht. Die Seele des Menschen ernährt sich vom Gebet, wie sich der Körper vom Brot ernährt.
 
Das Gebet ist unsere ausgestreckte Hand zu Gott und zu unseren Mitmenschen. Das Gebet ist das Boot, in das wir die von der Sünde Verwundeten oder die am Rande der Gesellschaft Lebenden setzen. 
 
Das Gebet darf nicht von den Flügeln des Egoismus berührt werden, sondern von den Flügeln der vollkommenen Liebe zu allen unseren Mitmenschen. Mit dem Gebet steigt der Himmel auf die Erde herab, und so betet der Mensch im Himmel. Wie viele von uns steigen zu diesem Paradies des Gebets auf? Wie viele von uns nehmen in diesem Himmel des Gebetes die Sorgen ihrer Mitmenschen auf sich und bitten Gott, ihren Schmerz zu lindern?! 
 
Im Himmel des Gebets vereint der Mensch seine Gebete mit denen der Engel, die Gott unaufhörlich die Ehre geben. Engel und Menschen sind aufgerufen, gemeinsam den Kelch der Liebe Gottes zu teilen. Heute leben wir mehr im Land der Sünde als im Land des Gebets. Christus hat uns das Gebet als eine unerschöpfliche Quelle hinterlassen, aus der jeder, der Gott begegnen will, seinen Durst stillen kann. 
 
Christus zeigt uns im Gebet des „Vaterunsers" die kosmische Dimension des Gebets und vertreibt so jeden Schatten des Egoismus, wenn wir beten. Wer betet, tritt in Gemeinschaft mit den Engeln und mit allen Menschen, die den Frieden auf Erden wünschen. O, wie glücklich ist der Mensch, der mit den Engeln betet!
 
Wie sehr sollten wir beten: Der heilige Paulus sagt uns: "Betet ohne Unterlass" (1. Thessalonicher 5,17). Durch sein Gebet ließ der heilige Elia Feuer vom Himmel und Regen auf die Erde fallen. Das Gebet ist das Gespräch des Geistes mit Gott, es ist der Aufstieg des Geistes zu Gott. Es gibt Völker auf der Welt, die Frieden haben, aber kein Brot. Es gibt auch Völker, die Brot haben, aber keinen Frieden. Das sind beides Welten, die das Gebet brauchen. Das Gebet gibt dem Leben des Menschen einen Sinn.  Das Gebet bringt Brot und Frieden auf die Erde. In eine Welt des Friedens kommt Jesus, dorthin kommt die Gnade Gottes herab. 
 
Wir sind Kinder des Friedens, denn in ihm findet die ganze Erde ihre Freude.
 
Lasst uns alle ein Gebet zu Gott erheben für den Frieden der ganzen Welt und dass alle Kriege, die heute so viele zu Waisen machen, ausgelöscht werden, denn ein Jordan aus Tränen und Blut fließt heute über unsere Erde. 
 
Der Friede ist ein verlorenes Gut.
 
O Herr, hilf uns, dass wir ihn durch das Gebet wiederfinden können!