11 September 2023 16:00 | Haus der EKD

Rede von Joan



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Joan

Orthodoxer Metropolit, Albanien
 biografie
Christ sein heißt, ein Mensch des Friedens und ein Friedensstifter zu sein. Alle Kirchenväter haben unmissverständlich erklärt, dass die Christen Märtyrer des Friedens sind. Der heilige Nikolaus Cabasila sagt: Christen müssen als Jünger Christi, der alles für den Frieden getan hat, „Friedensstifter" sein - τεχνίτες ειρήνης. Die Christen sind ein friedliches Volk (eirenikon genon), betont Clemens von Alexandrien. Nichts charakterisiert einen Christen mehr, als ein Friedensstifter zu sein. - schreibt der heilige Basilius. 
 
In der orthodoxen Kirche beziehen sich die ersten drei Anrufungen des Zelebranten zu Beginn der Göttlichen Liturgie auf die große Frage des Friedens:
 
1. In Frieden beten wir zum Herrn 
 
2. Um den Frieden, der von oben kommt ... lasst uns beten.
 
3. Für den Frieden in der ganzen Welt ...
 
Nachdem die Anrufung des Friedens noch 18 Mal wiederholt wurde, endet die Göttliche Liturgie mit der Ermahnung des Diakons: Lasst uns in Frieden gehen. Der Gedanke des Friedens durchdringt die Göttliche Liturgie von Anfang bis zum Ende.
 
Aber Christen begnügen sich nicht damit, für den Frieden zu beten und daran zu glauben, dass Gott eine Welt der Gerechtigkeit, des Friedens und der Einheit geplant hat, sondern sie sind durch ihren Glauben selbst dazu aufgerufen, aktive Friedensstifter zu sein, die in ihrem Glauben verwurzelt sind. Für den Frieden, nicht für den Krieg, sind wir geschaffen worden, schreibt Clemens von Alexandrien. Die Christen sind also nicht nur friedfertige Menschen, sondern auch Friedensstifter. Der Herr selbst hat gesagt: "Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden" (Mt 5,9).
 
Wir können nicht gleichgültig bleiben gegenüber dem Leiden anderer, gegenüber Ungerechtigkeit, Kriegen und Konflikten und uns gleichzeitig Christen nennen. Jeder Christ sollte ein Märtyrer für den Frieden sein und ihn mit seinem Leben und seinen Taten bezeugen. Johannes Chrysostomus predigte: „Ich glaube nicht an das Heil desjenigen, der sich nicht um das Heil des anderen kümmert." Er kritisierte auch die Kirche seiner Zeit, indem er sagte: „Es gibt zwei Arten von christlichen Führern, diejenigen, die sagen „meine Kirchengemeinde ist mein Universum" und andere, die sagen „das Universum ist meine Kirchengemeinde". Offensichtlich vertrat dieser große Kirchenvater die letztgenannte Meinung. Bei einer anderen Gelegenheit predigte er: „Das Kirchenoberhaupt muss sich nicht nur um die Kirche kümmern, die ihm vom Heiligen Geist anvertraut wurde, sondern auch um die ganze Kirche überall auf der Welt."
 
Ein selig zu nennender Friedensstifter ist derjenige, der für Christus Zeugnis ablegt und sein Kreuz auf sich nimmt. Er ist bereit, sein Leben für den Herrn zu geben, denn er glaubt seinen Worten: „Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden“ (Mt 16,25). Er ist einer, der sich, gestärkt durch die Gnade des Heiligen Geistes, für die menschlichen Konflikte interessiert, um den Frieden Christi zu bezeugen, der nicht so ist, „wie die Welt ihn gibt“ (Joh 14,27). Der Friede Christi wird im Herzen des Menschen geboren, geht von dort aus, wird zur verantwortlichen und schöpferischen Liebe und erhält eine soziale Dimension. Nur wer in sich selbst Frieden gefunden hat, kann die anderen versöhnen; wenn wir nicht mit uns selbst im Frieden sind, können wir nicht mit den anderen im Frieden sein, und wir können nicht mit uns selbst im Frieden sein, wenn wir nicht mit Gott im Frieden sind. Eine verbildete Seele kann nicht Hass gegen einen Menschen hegen und gleichzeitig mit Gott im Frieden sein, sagt der heilige Maximus der Bekenner. Der Kampf für den Frieden kann nicht vom Kampf für die Gerechtigkeit getrennt werden, „denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist“ (Röm. 14,17).
 
Der Friede ist mit Liebe und Heiligkeit verbunden, und ein selig zu nennender Friedensstifter ist derjenige, der Liebe in sich hat und in jedem Menschen, wer immer er auch sein mag, das Abbild Gottes sieht; in seinem Herzen gibt es weder Hass noch Feindschaft. Wenn wir nicht in der Lage sind, in diesem Leben in jedem Menschen das Bild Gottes zu sehen, werden wir im kommenden Leben das Antlitz des Herrn nicht sehen, wie der heilige Paulus schreibt: „Trachtet nach Frieden mit allen und nach der Heiligung, ohne die keiner den Herrn sehen wird!“ (Hebr 12,14). 
 
Friedensstifter zu sein, ist nicht nur in ethischer Hinsicht richtig, sondern vor allem in ontologischer Hinsicht. Wenn wir nicht gut und friedlich sind, sind wir gelähmt. Zweifellos können wir das Gute und den inneren Frieden nicht aus eigener Kraft erreichen, es sei denn, wir werden durch die Gnade Gottes gestärkt, die nur dann zu uns gelangt, wenn wir in Gemeinschaft mit ihm stehen und seine Gebote befolgen. Mit unserer eigenen Kraft ist es nicht möglich, an Gottes Frieden teilzuhaben, aber mit ihm ist alles möglich. Der Friede Gottes ist ein Geschenk Gottes und Bestandteil seiner Gnade. „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit“ (Gal 5,22). Der Friede Gottes, der eine Vorwegnahme des Reiches Gottes ist, ist wie eine Arznei gegen die Angst und schützt unseren Geist und unser Herz in unruhigen und unbeständigen Zeiten. Paulus schreibt: „Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus bewahren“ (Phil 4,7).
 
Ein selig zu nennender Friedensstifter ist immer eine Stimme und ein Zeuge (Märtyrer) des Friedens. Er sucht nicht nach Kompromissen mit der Wahrheit des Herrn, sondern lebt, wirkt und sagt, was der Herr sagt. Wir sollen nicht unsere Privatmeinungen verkünden, sondern das Wort Gottes und „den Glauben, der den Heiligen einst überliefert wurde". Wir verstehen, dass wir zu verschiedenen Zeiten und zu verschiedenen Menschen unterschiedlich predigen müssen, aber die Übereinstimmung mit der Botschaft des Evangeliums muss immer gewahrt bleiben. Pater Florovsky schreibt: „Wir müssen sicher sein, dass wir das gleiche Evangelium predigen, das uns überliefert wurde, und nicht ein eigenes 'fremdes Evangelium' einführen. Das Wort Gottes kann nicht einfach angepasst oder auf die Sitten und Gebräuche einer bestimmten Epoche, einschließlich unserer eigenen Zeit, zugeschnitten werden. Leider werden wir oft dazu verleitet, das Wort Gottes mit unseren eigenen Maßstäben zu messen, anstatt unseren Verstand mit der Gestalt Christi in Übereinstimmung zu bringen. Auch der „moderne Geist" unterliegt dem Urteil des Wortes Gottes.
 
In unserer Zeit, in der Lügen und Halbwahrheiten dominieren, ist die prophetische Rolle der Kirche dringend erforderlich. Wir müssen diesen prophetischen Geist lebendig halten, denn wenn wir diese Rolle verlieren, werden wir den wahren Auftrag der Kirche aus den Augen verlieren. Die Kirche muss sagen, was Gott immer wieder sagt. Gott sagt uns, dass nur der Friede und nicht der Krieg von ihm kommt: Wer den Krieg schürt oder rechtfertigt, ist nicht von Gott. Wir wissen aus der Heiligen Schrift, wie anspruchsvoll der Satz „So spricht der Herr" für die Propheten war und auch heute noch ist. Sie alle wurden verfolgt und getötet, weil sie „So spricht der Herr" sagten. Die Heilige Schrift sagt uns auch, dass es Männer gab, die nur das prophezeiten, was der König und das Volk hören wollten. Das waren falsche Propheten. Sie waren Lügner, die behaupteten, im Namen Gottes zu reden, aber für ihre eigenen Interessen sprachen und das Volk täuschten. Der Prophet Jeremia prangerte die falschen Propheten und Priester, die sich hinterhältig verhielten, mit folgenden Worten an: „Den Schaden meines Volkes möchten sie leichthin heilen, indem sie sagen: / Frieden! Frieden! - Aber da ist kein Friede. Schämen müssten sie sich, / weil sie Gräuel verübt haben. Doch sie schämen sich nicht; / Scham ist ihnen unbekannt. Deshalb müssen sie mit denen fallen, / die fallen. Sobald ich sie heimsuche, / werden sie stürzen" (Jer 6,14-15).
 
Leider wird die Rolle der Propheten heute oft aus verschiedenen Gründen missachtet: aus Angst, aus Mangel an Liebe, aufgrund der Lauheit des Glaubens, aufgrund von Eigeninteressen verschiedener Gruppen, aus politischen und ethnischen Interessen, wobei immer die Ehre des Menschen anstelle der Ehre Gottes im Vordergrund steht. Wir werden Propheten des Allerhöchsten oder falsche Propheten sein: es gibt keinen Mittelweg. Ein lauer Glaube kann nicht retten. Wenn wir anderen nicht die Wahrheit sagen, zeigen wir nicht, dass wir sie lieben. Der beste Freund ist derjenige, der uns zum Heil drängt, nicht derjenige, der uns schöne Worte sagt. Oft stimmt die Wahrheit nicht mit dem überein, was die Machthaber und die Menschen in der Welt hören wollen. Das Christentum ist nicht dazu da, der weltlichen Macht zu gefallen oder die Menschen zu unterhalten, sondern um die Wahrheit zu sagen und sie zu retten. Die prophetische Rolle der Kirche besteht darin, zu sagen, was Gott sagt.
 
Abschließend möchte ich sagen, dass wir in einer Zeit leben, in der der Frieden in Gefahr ist und Gott die Christen auffordert, Zeugen (Märtyrer) des Friedens zu sein. Trotz Verfolgung und Leid wird der Herr uns nicht verlassen und uns Weisheit und Mut geben, den Frieden und die Freude Jesu Christi zu leben, der die Welt der Finsternis, des Hasses und des Bösen durch sein Erlösungswerk überwunden hat. „Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ - so lehrt uns unser Herr (Joh 16,33).