18 November 2008 18:00 | Archbishopric Yard

Andrea Riccardi



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Andrea Riccardi

Historiker, Gründer der Gemeinschaft Sant'Egidio
 biografie

Illustre Vertreter der christlichen Kirchen und der großen Weltreligionen,
Liebe Freunde,

wir stehen am Ende dreier Tage des Dialoges, der Freundschaft und des Gebetes, hier auf Zypern. Wir sind Menschen mit unterschiedlicher Geschichte, Religion und Kultur, und wir sind Zeugen des Reichtums an Spiritualität und Menschlichkeit in unserer Welt. Dieser Reichtum wurde viel zu lange gedemütigt oder vergessen. Er wurde wenig geschätzt beim Aufbau der Welt.

Heute, in einer Krise von so großen Ausmaßen, dass wir deren Folgen nicht voraussehen können, wollen wir sagen, dass die Wirtschaft, die Finanzen nicht alles sind. Zu vieles wurde vernachlässigt, was das Menschliche, das Spirituelle betrifft. Es gibt zu viel Armut. Für das Wohlergehen Weniger haben wir zugelassen, dass eine Welt des Leids für Viele wuchs. Es gibt zu viele immer noch offene Kriege. Die Gewalt macht die Menschheit immer schlechter. Zu viele Menschen leiden ohne dass man mit echtem Einsatz und dem Gebrauch der verfügbaren Ressourcen versuchen würde, die schmerzhaften Situationen aufzulösen, in denen sie leben.

Ich denke hier auch an Zypern, dem ich wünsche, dass Gerechtigkeit und Frieden wiederhergestellt werden mögen. Indem wir dies sagen, möchten wir den Menschen von Zypern für ihre Gastfreundschaft unsern Dank aussprechen, im Besonderen Seiner Heiligkeit Chrisostomos II, der dieses Treffen gewollt und großzügig mit seinen Kräften unterstützt hat. Wir danken dem Präsidenten Dimitris Christofias und der Regierung der Republik Zypern. Möge dieses Gebet für den Frieden eine neue Jahreszeit anbrechen lassen für Zypern, das schön und verletzt zugleich den letzten besetzten Landstrich Europas bildet.

Möge ein neuer Wind des Friedens wehen auch über dem nicht weit von hier entfernten Nahen Osten, über dem Irak, über dem leidenden Afrika. Man darf nicht zulassen, dass sich die Konflikte über Jahrzehnte verfestigen. Wir brauchen mutige und großzügige Entscheidungen für den Frieden!

Der Wind des Friedens ist eine Gabe Gottes. Doch die Menschen und die Völker haben eine große Verantwortung: Sie vermögen viel. Das haben wir auf Zypern gelernt, in Tagen, die eine Schule des Friedens und des Dialogs waren. Die Medizin des Dialoges kann viele Konflikte heilen.  Wer Dialog führt, führt keinen Krieg und greift nicht zur Gewalt, weil er zuhört und redet. Der Dialog macht offenkundig, dass der Gebrauch von Gewalt und Krieg nicht unvermeidbar ist. Der Dialog macht nicht wehrlos, sondern er beschützt. Er schwächt nicht, sondern stärkt. Er verwandelt den Fremden, den Feind, in jemanden, der zur eigenen Familie gehört. Dabei bringt er die Befreiung vom Dämon der Gewalt. Mit dem Dialog ist also nichts verloren, mit dem Dialog ist alles möglich.

Die Religionen sind zu der großen Aufgabe berufen, einen Geist des Friedens unter den Menschen wachsen zu lassen. Gemeint ist der Geist von Assisi, der seit 1986 weht und dessen Initiator Johannes Paul II war. Im Geist von Assisi geht Johannes Paul II immer noch mit uns. Es ist der Geist, der in Neapel wehte, im vergangenen Jahr, der Geist, den wir auch hier erlebt haben und der uns im nächsten Jahr begleiten wird nach Krakau und Auschwitz. Denn auf eine Gabe Gottes kann man nicht verzichten.

Wir brauchen diesen Geist der Menschlichkeit, des Dialoges. Er ist nichts zu Einfaches, Naives, Geringes angesichts einer komplexen Wirtschaftsmaschinerie und der Mechanismen einer ermüdeten Politik in vielen Teilen der Welt. Das fehlt uns: die existenzielle Einfachheit, echt zu sein, menschlich, geschwisterlich, friedfertig. Johannes Chrisostomos sagt: „Seid einfach, mit Intelligenz“. Mit der Einfachheit von Pilgern des Friedens, die von einer neuen Welt träumen, ohne Krieg und ohne Gewalt, setzen wir unseren Weg fort im täglichen Leben. Hierbei sind wir gestärkt durch das große und bewegende Treffen in diesen Tagen auf Zypern.